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Erinnerung an Adolphe Monod (1802-1856)

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André Bieler (1914-2006)

André Bieler war ein Schweizer Pastor und Theologe. Als Gründer der Erklärung von Bern zur Unterstützung der Entwicklungshilfe (1968) gilt Bieler als einer der wichtigsten protestantischen Ethiker der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Sein Buch Chrétiens et socialistes avant Marx: Les origines du grand malentendu, [Christen und Sozialisten vor Marx : die Ursprünge des großen Mißverständnisses] Genf, Labor et Fides, 1981, enthält einen interessanten Abschnitt zu Adolph Monod (p. 46ff):

*** Meine Übersetzung aus dem Französischen ***

„… Hier müßte man die lange Liste der protestantischen Evangelisations-, Missions- und Hilfswerke anführen, die zu dieser Zeit aus dem Boden geschossen sind. […] Man müßte auch das Leben und die Hingabe herausragender Persönlichkeiten erwähnen, die dem Protestantismus dieser Zeit Glanz verliehen haben, dank der Unternehmungsfreudigkeit und der Opferwilligkeit, die ihnen aus ihrer lebendigen Frömmigkeit – Frucht der Erweckungsbewegung – erwuchsen. Viele sehr beeindruckende Frauen zeichneten sich durch ihre hartnäckige Hingabe an philanthropische Werke aus und brachten viele Opfer. Man kennt die großen Namen: Monod, Hollard, de Pressensé, Lutteroth, Stapfer, de Broglie (Frau de Broglie war die Tochter von Frau de Staël), Mallet, de Gasparin, usw. Sie alle kamen aus den Reihen der Unternehmer, der Diplomaten, der freien Berufe und der hohen Beamten.

Dessenungeachtet war die politische Ausrichtung der Erweckungsbewegung nicht nur auf die Vergangenheit fixiert sondern sehr oft konterrevolutionär.

Adolphe Monod verdächtigte den Pastor Oberlin, dessen beispielhaftes soziales Werk im Ban-de-la-Roche wir erwähnt haben, nicht hinreichend religiös zu sein.

„Er war ein ehrenwerter Pastor“, schreibt er, „aber man kann sich fragen, ob die Aufmerksamkeit, die er den zeitlichen Fragen gewidmet hat, nicht in mancher Hinsicht der Entwicklung der geistlichen Fragen Schaden zugefügt hat.“

Von seinem Podest der Frömmigkeit herab hat er die Seidenspinner in Lyon, die sich am Anfang der Juli-Monarchie erhoben, sehr streng beurteilt.

„Wir haben insbesondere Gott darum gebeten“, schreibt er 1831, „daß er dieses arme Volk (die aufständischen Arbeiter) nicht seinen Sünden entsprechend behandelt, daß er seiner Kinder gedenkt, die in dieser Stadt wohnen und die zahlreicher sind als die Gerechten Sodoms, daß er dieser Stadt seine Gnade gewährt, ihrethalben, daß er die entfesselten Leidenschaften abschwächt, usw. Zuerst waren wir unangenehm aufgebracht, aber dann schenkte er uns seinen Frieden, und eine sanfte Gemütsruhe erfüllte uns. ... Währenddessen sich draußen schreckliche Szenen abspielten, war innen drinnen alles ruhig. Mit ein paar Schritten gelangte man von etwas, das wie das Reich des Dämons erschien, in das Reich Jesu Christi: wir lasen sein Wort, riefen seinen Namen an, erfreuten uns an seiner Gnade, die uns von den Leidenschaften des natürlichen Menschen befreit hatte und uns inmitten des Wahnsinns und des Unheils, zu deren Zeugen er uns machte, den Frieden erhielt. ...“

Die Ereignisse der Revolution von 1848 wurden ähnlich gesehen. Der Methodist Louis Rostand drückt die Angst, die die protestantischen Gruppen, mit denen er verkehrte, erfaßte:

„Der Schrecken ist überall“, schreibt er, „das Volk stößt die Türen ein, ...; wir fürchten Plünderungen, wir fürchten Brandstiftung, wir fürchten alles; der Tod ist in aller Munde.“

Ami Bost drückt seine Verachtung für das neue Regime offen aus:

„Welch niedrige und armselige Komödie war doch die Errichtung dieser Republik!“, schreibt er. „Wie konnten die frommen Leute sich nur bezüglich des Wesens dieser Dummheiten täuschen, und vergessen, was sogar Montesquieu richtig gesehen hatte, obwohl er in den Dingen der Religion nicht besonders hellsichtig war, daß nämlich eine Republik nur dauern kann, wenn ein gewisses Maß von Tugend vorhanden ist, was aber bei uns schon lange abhanden gekommen ist.“

Wenn man E. Léonard glaubt, wurden diese Ansichten von der Mehrzahl der „frommen Personen“ geteilt. Er nennt dennoch ein paar Ausnahmen: den Pastor Léon Pilatte, der aus ganz bescheidenen Verhältnissen stammte, und der erzählte, daß er „krank vor Rührung und Freude“ war, als er von der Ausrufung der Republik hörte, aber auch den jungen Edmond de Pressensé, der den sozialistischen Träumen viel offener gegenüberstand als seine Umwelt – er war erstaunt von der Ruhe und der Intelligenz der Umstürzler, „dieser intelligenten, lebendigen, spirituellen und guten Rasse“, und Frau André-Walther, „die Pietistin der guten Pariser Gesellschaft, deren Hôtel de la Trésorerie générale in Tours den Intellektuellen auf der Flucht als Treffpunkt diente. ...“

PS: In seinem Buch La carte protestante. Les réformés francophones et l’essor de la modernité (1815-1848), [Die protestantische Karte. Die reformierten Christen französischer Sprache und der Aufschwung der Moderne (1815-1848)] Genf, Labor et Fides, 1997, p. 90, nuanciert William Edgar (1944-), Professor für Apologetik, diese Aussagen. Nach einem Zitat aus der Predigt Etes-vous un meurtrier ? [Sind Sie ein Mörder?] von Adolphe Monod erklärt er:

*** Meine Übersetzung aus dem Französischen ***

„Es ist klar, daß diese Behandlung der Probleme der Gesellschaft etwas Moralisierendes hat. Aber Bielers Beurteilung („nicht nur auf die Vergangenheit fixiert sondern sehr oft konterrevolutionär“) Monods und seiner Kollegen aus der Erweckungsbewegung ist allzu streng. [...] Man findet diese Art von Konservativismus eher bei den Predigern der ersten Generation, wie z.B. J.-I.-S. Cellerier. [...] Ich sehe da eher eine gewisse individualistische Behandlung des sozialen Problems, wie sie bei den Protestanten sehr verbreitet ist (aber nicht nur bei ihnen). Monod war zu dieser Zeit davon überzeugt, daß man damit beginnen muß, die Christen zu moralisieren, um später globalere Lösungen anzugehen. Es handelt sich dabei um indirekte Apologetik, auf der Basis von protestantischen Prinzipien.“

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