M O N O D G R A P H I E S

Erinnerung an Adolphe Monod (1802-1856)

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Gottes Barmherzigkeit (1828)

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Der Kontext

Diese Predigt stellt die zweite von zwei Predigten Monods zu Römer 11.32 dar.

Meine Notizen zum ersten Teil finden Sie hier.

Zusammenfassung

Nachdem er seinen Zuhörern (und Lesern) kurz die wesentlichen Elemente der ersten Predigt in Erinnerung gerufen hat, wendet sich Monod direkt an diejenigen unter ihnen, die keine Bekehrung erlebt haben. Er macht deutlich, daß sie beunruhigt sein sollten, denn ihr Zustand ist ein Zustand der Schuld und des Elends; sie haben es nötig, „sowohl von der Strafe der Sünde als auch von der Sünde selbst“ befreit zu werden, sind aber unfähig, sich aus eigener Kraft daraus zu befreien, denn selbst ein tadelloser Lebenswandel kann die Fehler der Vergangenheit nicht ungeschehen machen, und es ist nicht möglich, auf den schlechten Fundamenten dieser Vergangenheit etwas Heiliges aufzubauen. Der einzige Ausweg aus dieser Lage findet sich daher in Gott.

Monod versucht also, den Plan Gottes darzulegen, wobei er diesmal ausschließlich auf Gottes Wort aufbaut, denn die menschliche Vernunft, die in der Lage war, die Verlorenheit des Menschen zu erklären, ist unfähig, die Lösung, die Gott in die Wege geleitet hat, zu erahnen.

In der Tat – und damit sind wir im Herzen der Frohen Botschaft – hat Gott eine Antwort auf das Problem der Schuld des Menschen gefunden, indem er ihm vergibt. Völlig außerstande, sich durch seine Werke zu rechtfertigen, bedarf der Mensch der Rechtfertigung durch den Glauben, die ihm zuteil wird als eine Gnade. Sie gründet sich auf das Werk Jesu Christi, der die Strafe, die wir verdienten, für uns getragen hat.

Monod gibt ohne Umschweife zu, daß diese Lehre sein Verständnis übersteigt und Fragen aufwirft, auf die er keine Antwort hat. Dessenungeachtet kann er sie „durch das was ihr vorangeht, und das, was ihr folgt“ erfassen, oder anders gesagt, dadurch, daß sie eine Antwort auf die Ängste des Gewissens darstellt und ihm Frieden schenkt.

Gott schenkt dem Menschen ebenfalls die Befreiung aus seinem Elend, indem er in ihm die Liebe zu Gott erneut entfacht. Wer auch immer das Werk des Sohns betrachtet, der sich für die Sünder hingibt, obwohl sie das in keiner Weise verdienen, kann nur ausrufen: „Was für eine Liebe! Mein Gott, was für eine Liebe!“

Im Prinzip müßte eine solche Liebe im Menschen die Liebe zu Gott entfachen, aber diese Reaktion findet nicht statt, es sein denn, der Heilige Geist bereitet seinen Geist entsprechend vor.

Monod legt dar, daß der Heilige Geist nicht nur den Aposteln, sondern allen Christen verheißen wurde. Er widerlegt ein paar falsche Ansätze und schließt dann mit den Worten:

„Der Heilige Geist ist eine unmittelbare, wirkliche, übernatürliche Tätigkeit, ausgeübt auf unseren Geist von Gott, der unser Herz genauso beherrscht wie die Natur, und der uns Gefühle und Gedanken geben und nehmen kann, wie es ihm gefällt. … Der Heilige Geist ist Gott im Menschen.“

Der Prediger faßt selbst zusammen:

„So hat also das Erbarmen Gottes es an nichts fehlen lassen für das Heil des sündigen Menschen. Der Mensch bedarf einer zweifachen Befreiung. Da er schuldig ist, braucht er Vergebung; da er elend ist, braucht er ein neues Herz: Gott schenkt ihm beides in Jesus Christus. Er verzeiht ihm, in Anbetracht dessen, daß Jesus Christus an seiner Stelle die Strafe für seine Sünden erlitten hat. Er erneuert sein Herz, indem er ihm seine Liebe vor Augen führt in der Erlösung, die er ihn durch den Heiligen Geist glauben und empfinden läßt.“

Es stellt sich also die Frage des Beitrags des Menschen – hat er nichts zu tun?

Monod antwortet auf diese Frage, indem er versichert, der Mensch müsse einen gewissen Seelenzustand anstreben, und zwar, indem er seinen Glauben ausübt. In diesem Zusammenhang unterscheidet der Prediger zwischen dem „Glauben an Gott“, d.h. „die allgemeine Überzeugung, daß die Bibel das Wort Gottes ist“, und eine seiner Folgen, dem „Glauben an Jesus Christus“, d.h. „die besondere Überzeugung, daß wir verloren sind und daß wir durch Jesus Christus gerettet werden können“. Es ist letzterer Glaube, der uns zum Heil bringt.

Aber wie kann man diesen Glauben erlangen? Angesichts des Paradoxons, daß der Glaube eine Gabe Gottes ist, und daß der Mensch aufgefordert ist, zu glauben, könnte man allen Mut verlieren. Aber in Wirklichkeit ist der Ausweg aus dem Dilemma einfach: es reicht, Gott darum zu bitten. Und auch wenn der Mensch nur einen kleinen Anfang von Glauben anzubieten hat, muß er ihn zum Einsatz bringen, um sich in diesen circulus virtuosus „vom Gebet zur Gnade, und von der Gnade zum Gebet“ einzuschreiben, der auf den Weg führt, wo Gottes Barmherzigkeit zu finden ist.

Monod wendet sich daraufhin an diejenigen, die seine Rede verwerfen. Er hat nichts dagegen, daß man die Form, die Sprache, die Anordnung der Ideen verwirft, mit anderen Worten: alles, was auf ihn selbst zurückgeht. Aber was den Inhalt angeht, die Grundlagen – das Elend des Menschen und seinen Bedarf nach Erlösung in Jesus-Christus, aus Gnade, durch den Glauben, das Werk des Heiligen Geistes – wer diese Dinge verwirft, verwirft das Evangelium selbst. Monod schlägt sehr feierliche Töne an:

„Was ich euch gepredigt habe, ist nicht meine Meinung, es ist die Wahrheit. Es ist nicht meine Lehre, sondern die Lehre. Und mehr als das: es ist das Leben, und wenn ihr nicht daran glaubt, dann bleibt ihr im Tod.“

Derjenige, der diese Lehre verwirft, verwirft auch die Aussagen der Liturgie der reformierten Kirche und muß sich fragen, was er denn überhaupt in der Kirche macht.

„… ihr müßt auf irgendeine Weise aus einer so verkehrten Lage heraus: entweder nach vorn oder nach hinten, ihr müßt entweder die Sache annehmen oder den Namen aufgeben, entweder die Lehre empfangen, oder darauf verzichten, ein Christ zu sein.“

Monod wendet sich schließlich an diejenigen seiner Zuhörer, die seine Rede zum Nachdenken gebracht hat; er lädt sie ein, sich an Gott zu wenden und ihn um die Gnade der Bekehrung zu bitten, mit der Bereitschaft, im alles zu opfern, was ein Hindernis darstellen könnte: Reichtum, Ruf, Wohlergehen, gewisse Beziehungen … „Bekehre mich, Herr, und ich bin bekehrt!“

Die Predigt endet mit einem Gebet, in dem Monod Gott anfleht, seinen Geist in die Herzen derer zu senden, die bereit sind, sich diesen Schritt zu tun.

Aufbau

Monod legt keinen Aufbau offen, aber seine Rede ist logisch geordnet. Es gibt hier kein wirkliches Exordium; die Rede beginnt mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Elemente der ersten Rede. Was darauf folgt, könnte man zum Beispiel folgendermaßen ordnen:

  1. Ein zweifaches Problem: Schuld und Elend
  2. Die Antwort auf die Schuld: Versöhnung in Jesus Christus
  3. Die Antwort auf das Elend: Gottes Liebe wiederentdecken
  4. Die Notwendigkeit des Heiligen Geistes
  5. Die Notwendigkeit des Glaubens
  6. Einladung auf den Weg des Heils

Bedeutung dieser Predigt

Diese Predigt zeichnet sich durch ihre große theologische Tiefe aus. Monod behandelt sehr ernste und schwierige Fragen – die biblische Antwort auf die Schuld und das Elend des Menschen, die Lehre vom Heiligen Geist, die Theologie des Glaubens … – und er bleibt dennoch sehr klar. Monod gibt zu, daß er nicht Antwort auf alle Fragen hat, aber das hindert ihn nicht daran, das, was Gott geoffenbart hat, herauszustreichen und recht pragmatische Ansätze auf diese Offenbarung zu gründen.

Wie Fredrik Dahlbom in seiner Doktorarbeit (1923) sagt, ist Monods Nachdruck auf den Willen zum Glauben bemerkenswert; er findet eine Entsprechung im Leben des Predigers:

„In seiner eigenen Bekehrung hatte sein Wille eine wichtige Rolle gespielt. Er war selbst ein Zweifler gewesen und hatte unter seinen Zweifeln gelitten. Er wollte glauben; das war auch der Grund, warum er den Kampf nicht aufgegeben hatte, als kaum noch Hoffnung bestand. Dessen ungeachtet ist bei Monod der Nachdruck auf den Willen nicht im Widerspruch zur Selbstaufgabe. Ganz im Gegenteil – der Wille bezeichnet hier den Willen zur Selbstaufgabe.“

Die originelle Unterscheidung zwischen dem „Glauben an Gott“ (vielleicht sollte man eher sagen, „Glaube an die Schrift“) und dem „Glauben an Jesus Christus“ verdient es auch, erwähnt zu werden.

Monods Sprache ist sehr gepflegt, man spürt seine Liebe zum Detail. Ein paar Beispiele sollen uns genügen; Monod stellt mérite et dignité (Verdienst und Würde) démérite et indignité (Verfehlungen und Unwürdigkeit) gegenüber, spricht von der Ankunft des schweren Sünders (pécheur des pécheurs) im Allerheiligsten (Saint des Saints) und kontrastiert ce que sa miséricorde a de plus tendre (die zärtlichsten Züge seiner Barmherzigkeit) mit ce que sa sainteté a de plus terrible (den schrecklichsten Zügen seiner Heiligkeit).

Schwachpunkte

Mir scheint, die Rede ist sehr dicht, und vielleicht zu dicht, was ihren theologischen Gehalt angeht. Monod verwendet wenige Bilder; alles ist sehr auf den Intellekt abgerichtet und abstrakt, und das über fünfzig Minuten hinweg. Monod stellt damit den durchschnittlichen Zuhörer auf eine harte Probe. Daß er sein Publikum dennoch nicht verloren hat, ist wohl nur seiner großen Beredsamkeit zu verdanken.

In seiner obengenannten Doktorarbeit stellt Fredrik Dahlbom diese Schwäche in einen weiteren Zusammenhang:

„[Monod] versucht, die Religion aus ihrer Gefangenschaft zu befreien, in der sie der Moralismus der Aufklärung verkommen lassen hatte. Er möchte sie in ihre Heimat zurückbringen. Aber sein Verständnis der Offenbarung bringt ihn dazu, ihr eine neue Gefangenschaft aufzubürden, nämlich den Intellektualismus. So wie die Aufklärung Religion und Moral verwechselte, so laufen Monod und die Erweckungsbewegung Gefahr, Religion und Glauben (croyance) zu verwechseln. Ein typisches Beispiel findet sich in der Predigt Gottes Barmherzigkeit, wo er den Glauben untersucht und unterscheidet zwischen dem „Glauben an Gott“, d.h. dem Glauben, daß alles was Gott in seinem Wort sagt, wahr ist, und dem „Glauben an Jesus Christus“, d.h. dem Glauben an eine Kraft außerhalb unserer Person, die sich erst entfalten kann, wenn wir alles Falsche aus uns entfernt haben, durch Selbstaufgabe. Es ist klar, daß Monod denkt, daß [der Glaube im Sinne von] Vertrauen entscheidend ist und daß [der Glaube im Sinne der] Annahme und des Festhaltens [an der Lehre] nur dazu dient, eine Grundlage für das Vertrauen zu schaffen. Aber in der Praxis sehen wir das Gegenteil. Er taucht dermaßen tief in abstrakte Darlegungen, daß das, was nur eine Basis für den Glauben als Vertrauen sein sollte, in den Vordergrund rückt und den Aspekt des Vertrauens in den Hintergrund schiebt.“

Rednerische Elemente

Man kann nicht umhin, drei Refrains zu bemerken, die die zweite Hälfte der Rede rhythmisch beleben. Da ist zuerst die vierfache Wiederholung des Aufschreis „Was für eine Liebe! Mein Gott, was für eine Liebe!“ in der Mitte der Predigt; dann finden wir ganze 14 (!) Wiederholungen der Frage „Willst du … ?“, kurz darauf gefolgt von 15 (!) Wiederholungen der Feststellung „Es ist das Evangelium von …“. Jede dieser Wiederholungen als solche verfehlt ihre Wirkung nicht, aber mir scheint, Monod es durch die Ansammlung dieser Effekte es ein wenig zu weit getrieben hat. Zumal dies noch nicht alle Refrains sind; wir finden darüberhinaus noch drei Mal „Nein, sagt die Schrift.“ und ganz am Ende der Predigt, vier Mal „Willst Du ...“, gefolgt von vier „... geht allem vor.“ Manchmal ist eben weniger mehr.

Andere Bemerkungen

Monod zeigt sich recht weitherzig in seiner Liste von Bürgschaften für das Evangelium, das er verkündet. Er zitiert nicht nur Calvin und Luther, sondern auch Fénelon, Thomas von Kempen und den St. Bernhard. Vermutlich wären nicht alle evangelischen Prediger unserer Zeit bereit, sich auf alle diese großen christlichen Männer zu berufen.

Den (französischen) Originaltext laden (Google Books machts möglich)

Meine deutsche Übersetzung laden.

Eine Aufnahme meiner Übersetzung anhören :

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Die deutsche Übersetzung von F. Seinecke (1867) laden

 

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